HALIL ALTİNDERE

English version

 

Halil Altınderes frühe Arbeiten zeichnen sich durch ihren Widerstand gegen die Repression durch den türkischen Staatsapparat aus. Bezug nehmend auf seine eigenen Erfahrungen mit bürokratischen Vorgängen mokierte sich Altındere über die üblichen symbolischen Instrumente des Staates wie Banknoten, Briefmarken und Personalausweise. Kleine Manipulationen offizieller Dokumente zielten darauf ab, die Systeme der Repräsentation und Identifikation zu stören. Aber nach einer Weile empfand er, dass diese Gegengesten nur auf den paradigmatischen und ikonographischen Rahmen des ins Visier genommenen Diskurses beschränkt seien. Da er sich mit dieser Beschränkung nicht wohl fühlte, verlagerte Altındere seinen Fokus allmählich auf die alternative Sprache der Subkulturen und die winzigen Zwischenräume des Alltags. In What Are You Looking At?, der jüngsten Arbeit, die nach einer Zeit der Beschäftigung als Kurator und Herausgeber entstand, verschmelzen die vorherigen Interessen des Künstlers. Bei den ersten Präsentationen der Arbeit musste man sich das Video mit einem Headset ausgerüstet ansehen, welches das Gefühl, durch eine Kamera zu blicken verstärkte. Der Film besteht aus aufeinander folgenden Einstellungen, aufgenommen an zentralen und überfüllten Orten von Istanbul; sie zeigen die Heterogenität der Großstadt, etwa am Beispiel der Istiklal Avenue, dem Herzen der Kultur, Politik und Unterhaltungsindustrie der Stadt. Man sieht das Ganze von außen, nicht als Tourist, sondern als Bewohner Istanbuls, der sich über die neuen Kuriositäten der menschlichen Landschaft in seiner Stadt wundert; der Blick der Kamera richtet sich auf einige vorbeigehende Menschen: Punks, Rocker, Breakdancer, Transvestiten, Afrikaner, Ladenbesitzer, Pförtner... Aber die Reaktion ist alles andere als freundlich. Die Jagd der Filmcrews von zahllosen privaten Fernsehsendern nach billigen Spektakeln, kostenlosen Interviews und menschlicher Misere in den gleichen Straßen, fordert ihren Preis. Die aufgenommenen Menschen protestieren wütend gegen die Kamera, attackieren und verfluchen sie, um die Kontrolle über ihren privaten Raum zu verteidigen. Der Blick, der von diesen Menschen zurückkommt, und die inszenierte Gewalt machen den Träger der Kamera, den Künstler und den Betrachter auf die Macht aufmerksam, die sie besitzen.

Erden Kosova

Deutsch: Birgit Herbst

 

 

HALIL ALTINDERE

Resistance against the repressive nature of the Turkish state apparatus marked the early works by Halil Altındere. Referring to his own experiences with the bureaucratic procedures, Altındere ridiculed the everyday symbolic instruments of the state, such as banknotes, stamps, and identity cards. Small manipulations on official documents were designed to disrupt the regimes of representation and identification. Yet after a while, this sort of counter-gestures seemed to be constricted to the paradigmatic and iconographic frame of the targeted discourse. Discomforted by this confinement, Altındere gradually shifted his focus onto the alternative vocabularies of subcultures and the minute interstices of everyday life. His latest piece, produced after a period of curatorial and editorial works, What Are You Looking At?, fuses the previous interests of the artist. In the first presentations of the work, the viewer can watch the video by putting on a headset, supporting his or her identification with the camera´s vision. The film is composed of successive shots taken at various central and overcrowded locations in Istanbul, displaying the metropolitan heterogenity, such as Istiklal Avenue, the heart of the city´s culture, politics and entertainment industry. The chosen perspective is an external one; no tourist, but a local resident wondering about new curiosities of humanscape in his/her own city. The camera´s gaze fixes on people passing by: punkrockers, motorcyclists, breakdancers, transvestites, Africans, shopkeepers, porters… The reaction of those caught in the image is not a friendly one at all: the relentless and reckless search by camera crews working for private broadcast stations, for cheap thrills and free footage, for interviews victims and human misery in exactly the same streets, has taken its toll. Tired of the violation of their privacy, these people attack the camera, curse it or otherwise express their protest. The gaze returned, accompanied by staged violence, jolts the viewer and awakens the artist and the audience to the power they possess.

Erden Kosova