FIKRET ATAY

English version

 

   Rebels, 2003 (Still)
 
Offenbar besteht die grundlegende Strategie der Videoarbeiten von Fikret Atay darin zu kodieren, statt Kommunizierbarkeit und Lesbarkeit zu bieten. Kurze Einzelbilder zeigen bestimmte Vorführungen von Individuen oder Gruppen: Sie tanzen, lesen, singen und spielen auf Musikinstrumenten. Aber durch einige einfache und befremdliche, bei der Einstellung, Inszenierung und Ausschnittwahl dieser Vorführungen angewandte Strategien werden sie in Handlungen verwandelt, die sich einer Deutung entziehen und keine Transparenz mehr bieten. Man sieht Handlungen, die irgendwie vertraut erscheinen, ohne jedoch die genaue Motivation benennen zu können, die sich hinter ihnen verbirgt. Der rituelle Charakter dieser Vorführungen (folkloristische Tänze, sportliche Spiele, Spaziergänge etc.) verweist auf eine kollektiv oder gemeinschaftlich operierende Diskursivität und verleiht dem in den Arbeiten implizierten kulturellen Widerstand so eine politische Dimension. Dennoch hilft das Vermeiden jeglicher Bezeichnung und Benennung dieser Kollektivität Atay, alle möglichen Formen von Essentialismus oder selbst zugewiesenen Opferrollen zu vermeiden. In Atays Videos werden die offensichtlichsten Anzeichen der Not im Südosten Anatoliens (der Heimat des Künstlers) interessanterweise mit der wirtschaftlichen Ausbeutung innerhalb der Türkei und nicht mit anderen Ursachen sozialer Konflikte in Verbindung gebracht. In seiner Arbeit The Pumps sieht man einen Mann, der in eine verbotene Zone eindringt; er klettert auf eine laufende Pumpe, welche Erdöl in die industrialisierteren und weiter entwickelten Regionen des Landes transportiert, und versucht verzweifelt, deren Betrieb zu unterbrechen. The Rebels, eine andere Arbeit von Atay, beginnt in einer geschlossenen Kabine eines Geldautomaten. Man sieht zwei Kinder, die in das Kabinett kriechen, von dem man nicht erwarten würde, dass es einen leichten Zugang zu einem Bankschalter bietet. Plötzlich fangen die Kinder an zu singen, aber Liedtext und Sprache sind ihrem Gesang auf unheimliche Weise genommen. Sie singen melodische Reime ohne Worte, doch die zwischen ihnen herrschende effektive Synchronisation und Polyphonie beweist, dass sie in dieser verschlüsselten Sprache perfekt miteinander kommunizieren können. Der Zuschauer ist von diesem Effekt der Bedeutungslosigkeit befremdet. Die einzigen verständlichen Worte werden am Ende auf Kurdisch gesungen: „Wer ist der Pascha? Wer ist der Bräutigam?“


Deutsch: Birgit Herbst

 

 

FIKRET ATAY

The basic strategy of the video works by Fikret Atay seems to be one of encoding rather than providing communicability and decipherability. Short, framed shoots feature a variety of individual or group performances: activities such as dancing, reading, singing and playing musical instruments. Yet a set of simple, estranging schemes employed in setting, staging and framing these acts transform them into plots resisting the attribution of significance, and transparency. We see acts which are somehow familiar to us but we cannot formulate the exact motivation behind them. The ritual character of these performances (folkloric dances, sport games, walks etc.) hints at a collectively or communally operating discourse, and hence attaches a political dimension to the cultural resistance implicated in the works. Yet, the lack of any titles and names serving to explain these collectively shared activities sustains Atay´s escape from potential modes of essentialism and self-victimisation. Interestingly, the most apparent manifestations of the South East Anatolian (the artist place of origin) plight to be seen in Atay´s videos, relate to the internal economic exploitation within Turkey, rather than other sources of social conflict. In his work The Pumps we see a male figure transgressing into a forbidden zone, climbing onto an operating pump transporting petroleum into the more industrialized and developed regions of the country, and trying desperately to disrupt its action. Another work by Atay, The Rebels, begins in an enclosed booth of a cash machine. We see two kids creep into the cabinet, from which easy access to the banking office seems highly improbable. Suddenly they begin to sing, but the lyrics and the language are uncannily absent from their chants. They utter melodic rhymes devoid of any words, yet, the effective synchronisation and polyphony between them seems proof of their ability to communicate by means of a code. The audience is left alienated by this asignificatory effect. The only words conceded to at the end of the chant are in Kurdish: “Who is the Pasha? Who is the Groom?”


Erden Kosova