AYŞE ERKMEN

English version

 

   Two Coffees Back to Back, 2003 (Still)
 
Die Tendenz zu einer Konzeptualisierung, die Ayşe Erkmens Werk innewohnt, nahm ihren Anfang in Form von Befragungen der Definition von Bildhauerei: was macht ein Objekt zu einer Skulptur, wie behauptet es sich als autonomer Gegenstand in dem Raum, in dem es ausgestellt ist. Später baute die Künstlerin diese Art von Berücksichtigung der räumlichen Eigenschaften weiter aus bis hin zur Problematisierung der formalen Ein- und Ausschlüsse des Ausstellungsraums. Die Auseinandersetzung mit Galerien, Museen und Arbeitsräumen für Künstler und ihre Besonderheiten hat dazu geführt, dass sich ihre zuvor funktionale Sichtweise von Räumen verändert hat und sie sich mehr für die einzelnen Geschichten dieser Räume und der Menschen interessiert, die sie bewohnen (bzw. bewohnt haben). Die Einbeziehung der Kultur in ihre neueren Projekte läuft dennoch nie auf eine reine Analyse der Geschichte hinaus. Die möglichen Gefahren der Herausbildung von kulturellen Stereotypen und Identitäten werden entweder durch eine kulturübergreifende Austauschbarkeit von regionalen Bezügen oder durch deren ironische Dekonstruktion gebannt. Die letztgenannte sardonische Betrachtungsweise tauchte zum ersten Mal in Erkmens Videofilm Emre & Dario auf, in dem ein Junge (der Sohn der Künstlerin) zu sehen ist, der zu einem in den 50er Jahren oft gespielten Song von Dario Moreno tanzt, was die Vorstellung des Westens von der modernen Türkei korrigieren soll. Allerdings verhindert das Fehlen von Hinweisen auf die Identität des Jungen anhand seines Auftretens und seine lässige Unbeholfenheit, mit der er den französischen Songtext nachahmt, die Ausführung der Aufgabe der Repräsentation, die anhand des Songs bewerkstelligt werden sollte. Ein weiterer Videofilm Two Coffees Back to Back bedient sich einer ähnlichen Methode, um eine Identifikation zu verhindern. Eine enger Freund der Künstlerin sagt ihr die Zukunft voraus - ein Ritual, das die beiden durchführen, nachdem sie türkischen Kaffee getrunken haben. Allerdings erzeugen die detaillierten Blicke in die Zukunft (in Bezug auf Kuratoren, Ausstellungsprojekte und andere berufliche Belange) einen befremdlichen Effekt im Hinblick auf das Ritual, bei dem es eigentlich um böse Blicke, Liebhaber und Reisen gehen sollte. Ein anderes Werk von ihr spielt mit dem Wort Balkan, löst es von seinen geo-kulturellen Bezugspunkten und stellt es in einen alltäglichen Kontext, in dem sich das Wort Balkanık als der Name eines exquisiten Desserts erweist, das bis vor Kurzem in Istanbul hergestellt wurde. Neben ihren Werken, die sich mit dem Thema der Anonymität in kommerziell „entliehenen“ Bildern beschäftigen, will Erkmen auch auf den ungestörten Fluss an kulturellen Zeichen und auf das sinnlose Unterfangen aufmerksam machen, ihrem innersten Wesen und ihrem Ursprung nachspüren zu wollen.

Erden Kosova

Deutsch: Uli Nickel

 

 

AYŞE ERKMEN

 

The tendency towards conceptualisation inherent in Ayşe Erkmen´s work began in the form of questioning the definition of the discipline of sculpture: what defines an object as a sculpture, how does it constitute itself as an autonomous item in the space it is exhibited in. Later, the artist extended that sort of attention to spatial qualities towards a problematisation of formal inclusions and exclusions of the exhibition space. Thinking galleries, museums and residence flats in their specificity opened up her previously functional reading of space to singular stories of those places and the people who inhabit(ed) them. The introduction of the cultural to her more recent projects never mounted to a fully historicising analysis, though. The potential dangers of cultural stereotyping and identification have been staved off either by a crosscultural exchangeability of regional references, or their ironic deconstruction. The latter sardonic approach was first observed in Erkmen´s video piece Emre & Dario, in which a young guy, the artist's son, was seen dancing to a popular fifties song by Dario Moreno, intended to correct the representation of modern Turkey in Western imagination. Yet, the lack of any insignia of identity on the boy's appearance and his relaxed clumsiness in mimicking the French lyrics interrupt the representational task aimed at in the song. Another video, Two Coffees Back to Back pursues a similar way of dis-identification. A close friend of the artist tells Erkmen her fortune, a ritual performed after drinking Turkish coffee; however, the detailed foresights about curators, exhibition projects and other professional issues give an estranging effect to the whole ritual, which is supposed to be about evil eyes, lovers and journeys. Another piece by her plays with the word Balkan, distances it from its geo-cultural references and puts it into a quotidian context, in which the word Balkanık turns out to be the name of an exclusive desert produced in Istanbul till recently. Parallel to her works dealing with the issue of anonymity in the commercially 'borrowed' images, Erkmen points at the free flow of cultural signifiers and the futility of tracing an essence and origin in them.

Erden Kosova