ADRIAN PACI

English version

 

   Vajtojca, 2002 (Still)
 
Adrian Paci begann sich seinen Weg in die moderne europäische Kunstszene mit Werken zu bahnen, die auf einer gesellschaftlich problematischen Erzählweise basieren. Sein erster Videofilm erzählt eine sehr einfache Geschichte, eine Erzählung genau genommen. Es ist eine seltsame Geschichte, nahezu eine erfundene Story, die aus dem Munde eines kleinen Kindes stammt und keinen Anfang und kein Ende hat. Die kleine Tochter des Künstlers erzählt die Geschichte ihrer Familie, die Geschichte eines geplagten Landes - ein intimer Bericht ohne große Worte und sensationelle Fernsehbilder, an dem die Medien kein Interesse haben, weil niemand ihn sehen will. An dem Tag, an dem er hörte, wie seine Tochter diese Geschichte ihren Puppen erzählte, hatte er das Gefühl, dass die Geschichte seines Landes sich in ihren unverständlichen Worten sehr treffend verdichtete.

Ein anderes Werk von Paci, Behind the Wall, ist ein Versuch, eine Schnittstelle zwischen dem, was jeden Tag auf der flüssigen Oberfläche passiert, die Italien von Albanien trennt, und dem, was wir von diesen Ereignissen mitbekommen, herzustellen. Die Handlung ist ganz einfach: der Künstler fährt auf einem Motorboot, sammelt Wasser aus dem Otranto-Kanal, redet mit dem Matrosen, wird von der Polizei verhört und setzt seine Rückreise fort. Bei all dem geschieht nichts Außergewöhnliches. Aber diese Aktion von Paci hat eine große symbolische Bedeutung.

Kann man den Tod in Szene setzen oder ihn sogar spielen? Wir haben uns Adrians Video Vajtojca zum ersten Mal in dem Schnittstudio angesehen, in dem es produziert wurde. Es befand sich im Gebäude einer Werbeagentur und ich werde die Reaktion der Leute, die in diesem großen Bürokomplex arbeiten, nie vergessen. Bei dem Gesang dieser Frau wird einem eins klar: ihre Worte, deren Bedeutung und deren Klang liegen außerhalb des menschlichen Fassungsvermögens. Wenn man sie singen hört, ist man, auch wenn man kein Albanisch versteht, von einem alten, grauenvollen Geist gefangen genommen, der über den ganzen Ort hinweg zu fegen scheint. Ich weiß nicht, in welcher Beziehung sie als professionelles Klageweib zum Tod steht, aber was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass ihre Stimme und ihre Worte in der Lage sind, das menschliche Unvermögen, den Tod zu erleben, während man noch gar nicht tot ist, zu überwinden helfen. All dies gelingt Adrian, indem er sich selbst in die Hände des Klageweibs begibt, sich sein „Leichenhemd“ anzieht, sich auf das Totenbett legt und schweigend zuhört, was die Stimme des Alters über ihn zu sagen hat. Wenn er schließlich wieder aufsteht und ihr die Hände schüttelt, hat der Betrachter das Gefühl, einmal kräftig durchatmen zu müssen, und ist sehr froh, dass dies nur ein Film war.


Aus: Edi Muka, Behind the Wall od Stereotypes of Barriers“, in: Short Stories, Fabbricca del Vapore, Mailand 2001


Deutsch: Uli Nickel

 

 

ADRIAN PACI

 

Adrian Paci began to pave his way on the European contemporary art scene with works which were very much based on a socially problematic narrative. His first video work is all about a story, a very simple one, a tale more precisely. It is a strange story, almost fiction coming out of the small mouth of a child, no beginning and no end. The artist’s little daughter tells the story of their family, the story of a troubled country, an intimate aspect of it, with no big words and TV sensations, which media do not go for because it might not be of interest. The day he heard his daughter tell the tale to her dolls, he felt his country’s story was compressed within her unintelligible words.

Another work by Adrian Paci, Behind the Wall is an attempt to construct an interface between what happens every day on the liquid surface that divides Italy from Albania and what we get to know of these events. The action is very simple: the artist sails on a motor-boat, collects water from the Otranto canal, talks to the sailor, is questioned by the police and continues his journey back. There’s like nothing special in all of this. But this action by Paci has a strong symbolic content.

Can one stage death, or even play it? We first saw the video Vajtojca by Adrian at the editing studio where it was produced, inside an advertisement agency, and I won’t forget the reaction of the people working in the big office space. There’s an overt thing in the song of this lady, her words, their weight and sound are beyond human reach; when hearing it, even if one doesn’t understand Albanian, your mind is taken by some old gruesome spirit which seems to sweep over the whole place. I don’t know what her relation to Death is, as a professional lamenter, but what I know for sure is that her voice and words bridge the gap of the human incapability to experience Death while being alive. All this Adrian manages through offering himself to the lamenter, putting on his “death shroud”, lying down on the bed as dead people are laid out, calmly listening to what the voice of old might say about him. When he finally stands up again, and shakes hands with her, the viewer feels the necessity of taking a deep breath, and feels so grateful that it was nothing but a play.


Excerpts from: Edi Muka, “Behind the Wall or Stereotypes of Barriers”, published in the catalogue of the exhibition Short Stories in Fabbrica del Vapore, Milano, 2001.