HALE TENGER

English version

 

   I Know People Like This II, 1992
 
Hale Tengers frühe Arbeiten, die Anfang der 90er Jahre in Ausstellungen zu sehen waren, tendierten konsequent von einer Erweiterung der immanenten Grenzen der Skulptur hin zu umfangreicheren semantischen Möglichkeiten mittels der Verwendung vorgefundener Objekte und des Einsatzes von Musik, Gedichten und Texten. Die ursprüngliche Bedeutung dieser Objekte in diesen Kompositionen wurde ständig aufgelöst bzw. verschoben, manchmal mit Hilfe der Titel der Kunstwerke. Bestimmte allgemeine Themen, die in diesen frühen Werken vorkommen - wie die Darstellung der Ungleichheit der Machtverhältnisse in Bezug auf Gender, kulturelle und ethnische Identität, die selbstauferlegte Unterwerfung unter den orthodoxen Glauben, die kulturelle Introvertiertheit und das Potential zur Vermittlung, zur sozialen Evolution und zur Verbesserung -, sind auch in Tengers Kompositionen während der 90er Jahre und später vorhanden geblieben.

Die aus dieser Zeit stammenden Werke School of Sikimden Aşşa Kasımpaşa (1990) und I Know People Like This II (1992) verspotteten den populistisch-nationalistischen Diskurs in der Türkei. Das erstgenannte Werk richtet sich gegen spektakuläre Gewalt, männliche Aggressivität und die unglaublich große Begeisterung im Hinblick auf die heroische Vergangenheit, während sich das letztgenannte Werk lächerlich macht über die widerstandslose Unterwerfung der Massen unter den Diskurs des modernen Nationalismus - mittels der Verwendung von kitschigem Nippes, der den Phallozentrismus der populären Kultur symbolisieren soll.

Spätere Werke von Tenger bewegen sich hin zu der Produktion von atmosphärischen Environments, die ein ausdrucksstarkes Material zur Schau stellten. Ihr Themenspektrum reicht von der diskriminierenden Einwanderungspolitik bis zur Kritik an stoischen Denkmodellen innerhalb der westlichen Philosophie, der sie die Betonung der körperlichen und sinnlichen Qualitäten in ihren Installationen entgegensetzt.

Tenger war sich der Spannungsverhältnis zwischen dem Bild und dem Text, dem Objekt und seiner Bedeutung und den direkten und indirekten Formen der Erfahrung ständig bewusst. Besonders die Reihe von Installationen, die Bezug nahm auf den in jüngster Vergangenheit wieder aufgeflammten, alptraumhaften Terror in der Türkei, hat neue Künstlergenerationen ganz besonders stark animiert, eine selbstbewusste Radikalität zu entwickeln. Sikimden Aşşa Kasımpaşa ist übrigens eine türkische Redewendung, die man mit „einen Scheißdreck drauf geben“ übersetzen kann.


Deutsch: Uli Nickel

 

 

HALE TENGER

 

Hale Tenger´s initial works, exhibited in the early nineties, had a consistent tendency towards the expansion of the disciplinary limits of sculpture towards wider semantic possibilities, through the employment of found objects and the incorporation of music, lyrics and texts. The objects joined in these compositions were regularly unfixed and displaced from their established meanings, sometimes with the help of the works´ titles. Certain common themes, such as the representation of asymmetries of power due to gender, cultural and ethnic identity, self-imposed submission to orthodoxy, cultural introversion, and the potentials of agency, social evolution and healing, which emerged in these early works remained present in Tenger’s compositions through the nineties and beyond. The School of Sikimden Aşşa Kasımpaşa (1990) and I Know People Like This II (1992) from this period satirised the populist nationalist discourses in Turkey. The former work targeted spectacular violence, male aggression and phantasmagoric investment in the heroic past, whereas the latter mocks the easy submission of the masses to the discourse of modern nationalism, through the use of kitsch bricabrac representing the phallocentrism of the popular culture. Later works by Tenger moved towards the production of atmospheric environments displaying expressive material. Her subjects range from discriminatory immigration policies to the critique of stoic strands of Western philosophy through an emphasis on corporeal and sensual qualities of her installations. Tenger remained attentive to the tensions between the image and the text, the object and its meaning, and the direct and indirect modes of experience. One of her series of installations in particular, which alluded to the nightmarish terror of Turkey´s recent past, encouraged the new generation of artists to develop a more radical, confident voice. Sikimden Aşşa Kasımpaşa is an idiom in Turkish which could be translated as "not to give a fuck"

Erden Kosova