Kroatien

 

Tanja Dabo

Tomislav Gotovac

Sanja Iveković

Mangelos

Vlado Martek

Goran Petercol

Sandra Sterle

Mladen Stilinović

English version

 

Charakteristisch für die Vertreter der visuellen Kunst im heutigen Kroatien ist die besondere Dynamik aus Unterbrechung und Kontinuität, die vier „Generationen“ kroatischer Künstler praktiziert haben, von Ivan Kožarić – einem Bildhauer, der zur Avantgarde-Gruppe „Gorgona“ gehörte, die von 1959 bis 1966 in Zagreb aktiv war – bis hin zu jungen Künstlern wie Ana Šerić, Goran Škofić und Marko Tadić, die immer noch an Kunstakademien studieren.

Bereits in den späten 50er und den 60er Jahren entwickelten einige Außenseiter sehr interessante Avantgarde-Werke, die in vielerlei Hinsicht die künstlerischen Arbeiten des folgenden Jahrzehnts vorwegnahmen, allerdings blieben sie zu der Zeit im lokalen Kontext vollkommen isoliert. Im internationalen Kontext waren sie entweder völlig unbekannt oder wurden unzureichend bzw. falsch dargestellt und dokumentiert, was heute bis zu einem gewissen Grade immer noch der Fall ist. Sowohl die künstlerischen Aktivitäten der Künstlergruppe „Gorgona“ als auch die Performance-Aktionen und die Experimental-Filme des Multimedia-KünstlersTomislav Gotovac setzten neue Maßstäbe im Hinblick auf die Präsentation von Kunst und entfernten sich radikal vom Konzept des weißen Würfels, indem sie unmittelbar im öffentlichen, gesellschaftlichen und medialen Raum agierten.

Das Konzept der Kontinuität ist sehr stark vertreten in den Werken von Künstlern, die in den 70er Jahren zum ersten Mal auf der Bildfläche erschienen und deren Methode damals als die so genannte „neue künstlerische Praxis“ bezeichnet wurde - ein Begriff, der die unterschiedlich ausgerichteten Aktivitäten einer allgemein als solche verstandenen Konzept-Kunst mit einbezog, zu denen Happenings und Performances, Body-Art, Kunst innerhalb gesellschaftlicher und urbaner Kontexte, Installationen und Ambiente, Kunstaktionen und Video-Kunst gehörten. Bereits im Jahr 1969 hatte die Gruppe „Rentner Tihomir Simičić“ (Braco Dimitrijević und Goran Trbuljak) erste konzeptuelle Arbeiten entworfen, welche die ethischen Inhalte von Kunst und die ersten nicht-institutionellen und alternativen Methoden der Präsentation von Kunst erkundeten, während Künstler wie Sanja Iveković und Dalibor Martinis zu Beginn der 70er Jahre Videofilme drehten, die ihre Rolle innerhalb der Gesellschaft und ihre politische Bedeutung untersuchten. Die ‚Gruppe der sechs Künstler’ (Mladen Stilinović, Sven Stilinović, Vlado Martek, Željko Jerman, Boris Demur und Fedor Vučemilović), eine Künstlergruppe, die von 1975 bis 1979 in Zagreb aktiv war, stellte zudem die Inhalte von Kunst, Kultur und Alltags-Ideologie mittels ihrer Ausstellungsaktivitäten im öffentlichen Raum kritisch in Frage.

Während die Konzeptkunst in den 70er Jahren am Rande der Gesellschaft und zumeist außerhalb der Institutionen etablierter visueller Kultur operierte, gelang es ihr in der zweiten Hälfte der 90er Jahre, eine prominentere Position auf der kulturellen Landkarte einzunehmen. Dies hatte sie sich verdient dank ihrer Ausdauer, der Wertschätzung der beteiligten Künstler im In- und Ausland und der unzweifelhaften Qualität des „historischen Hintergrundes“, vor dem die Arbeiten der neuen Künstlergeneration entstanden sind.

Diese Wertschätzung der einheimischen Konzept-Kunst geht einher mit dem gleichzeitigen Durchbruch, den die moderne Kunst in den späten 90er Jahren in der Artikulation gesellschaftlicher Konflikte feiern konnte – vielleicht zum ersten Mal seit den 50er Jahren und seit dem Bruch mit der „offiziellen“ Doktrin des sozialistischen Realismus. Die Hinwendung der modernen Kunst zu heiklen gesellschaftlichen Themen und ihre Position innerhalb der Medienwelt führte dazu, dass sie sich in Richtung einer neuen kulturellen Hegemonie bewegte. Bis zu einem gewissen Grad wurde die zeitgenössische Kunst-Szene innerhalb der Bürgerbewegung aktiv, wobei sie von dem Wissen und dem Know-how profitierte, das sich während der 90er Jahre innerhalb einer dynamischen und unabhängigen Bürgerbewegung angehäuft hatte. Gegen Ende der 90er Jahre entstand eine kleine Anzahl kultureller Initiativen, die gute Aussichten darin sahen, neue Formen nicht-institutionellem kulturellem Engagements zu schaffen, das auf unabhängigen und gemeinnützigen Arten von Zusammenschlüssen basierte. Die Position dieser in der Regel instabilen Initiativen war in hohem Maße abhängig von den Voraussetzungen, denen sie von Seiten eines durchweg (Ende der 90er Jahre) und später (Anfang 2000) überwiegend ungünstigen Kontexts innerhalb der institutionalisierten Kultur (d.h. der staatlichen bzw. der vom Staat subventionierten Kultur) und der breiten Öffentlichkeit (die sich ihre Meinung vor allem anhand der vom Staat kontrollierten Rundfunkanstalten oder der sich in privatem Besitz befindenden Printmedien gebildet hatte) unterworfen waren. Obwohl in den letzten zwei oder drei Jahren eine deutliche Veränderung im Hinblick auf das Vokabular, das von wichtigen Entscheidungsträgern innerhalb der Kulturindustrie verwendet wird, zu verzeichnen ist, ist das kulturelle Umfeld in Kroatien allerdings auch weiterhin allgemein von der kulturellen Logik der Identität, und hier speziell der der nationalen Identität, geprägt.

Indem sie sich der Sprache der Massenmedien sowie ganz unterschiedlicher Inhalte und Schauplätze für ihre Aktivitäten bemächtigt haben, stellen Künstler ihre direkte Umgebung ständig in Frage. Gleichzeitig versuchen sie, indem sie neue Initiativen und Interaktionen ins Leben rufen, die Grenzen ihrer eigenen Position zu verschieben. Es gibt eine ganze Reihe Projekte, die sich mit gesellschaftlich relevanten Themen beschäftigen, ganz unterschiedliche Zielgruppen ansprechen und auf einer bestimmte Form der gemeinsamen Zusammenarbeit basieren, bei der sich die organisatorischen Aufgaben, die schöpferische Ausdrucksweise und das künstlerische Werk selbst überschneiden (z.B. die Projekte „Wochenend-Kunst: Halleluja der Hügel“ und „Kommunale Kunst“ von Aleksandar Ilić, Ivana Keser und Tomislav Gotovac, Eingriffe in das Stadtbild von Igor Grubić oder Projekte von Andreja Kulunčić). Zudem zeigte einer Reihe Künstler, die in den 90er Jahren auf der Bildfläche erschienen, ein Interesse daran, die Rolle des Künstlers auf dem Arbeitsmarkt sowie innerhalb der Konventionen von Kunst-Institutionen und lokalen bzw. globalen Systemen zu hinterfragen (Tomo Savić-Gecan, Tanja Dabo und David Maljković), während viele von ihnen kollektive Traumata und private Identitäten untersuchen (Igor Grubić, Kristina Leko, Slaven Tolj, Marijan Crtalić, Ines Krasić und Sandra Sterle).

Es scheint, als sei für die kroatischen Vertreter der visuellen Kunst genau der Zeitpunkt gekommen, an dem der frustrierende Traum von den unerreichten Arbeitsbedingungen eines westeuropäischen Kulturschaffenden und das Unterworfensein unter den unmenschlichen Zuständen im Rahmen einer ökonomischen Übergangsphase eine spannungsgeladene Situation erzeugen, in der noch alles möglich ist.


Deutsch: Uli Nickel

 

 

Croatia

  

The Croatian contemporary visual-arts scene is characterized by a specific dynamic of rupture and continuity, spanning four “generations” of Croatian artists, from Ivan Kožarić – a sculptor belonging to the avant-garde group “Gorgona”, active in Zagreb from 1959 to 1966 – to such emerging artists as Ana Šerić, Goran Škofić, or Marko Tadić, who are still studying at art academies.

Already during the late 50ies and in the 60ies some marginal authorial positions developed extremely interesting avant-garde works that in many ways anticipated the production of the whole decade to come, but at the time of its activity remained completely isolated within their local realms, while in international context they were, and to certain extent still are, either completely unknown or insufficiently and irregularly presented and documented. Artistic activities of the artistic group “Gorgona”, as well as performing activities and experimental films by multimedia artist Tomislav Gotovac, redefined the practice of art presentation and radically moved away from the white cube concept, acting directly in public, social and media space.

Continuity is very strongly emphasized in the works of artists who first appeared in the 70ies and whose practice at the time was described as the so-called “new art practice”, a term that encompassed the variously oriented activities of broadly understood conceptual art, including happenings and performance, body-art, art in social and urban contexts, installation art and ambience, art actions and video art. Already in 1969 in Zagreb the group “Pensioner Tihomir Simičić” (Braco Dimitrijević and Goran Trbuljak) developed first conceptual works that explored ethical contents of art and early non-institutional and alternative ways of art presentation, while artists like Sanja Iveković or Dalibor Martinis, at the beginning of 70ies, produced video works exploring the social role and political relevancy of the video. The “Group of Six Artists”, (Mladen Stilinović´, Sven Stilinović, Vlado Martek, Željko Jerman, Boris Demur, Fedor Vučemilović), an artists group active in Zagreb from 1975 to 1979, also critically questioned the content of art, culture and everyday ideology through their exhibition activities in public spaces.

While during the seventies conceptual art operated on the social margins and mostly outside of the institutions of official visual culture, in the second half of the 90ies, it was appointed a more prominent position on the cultural map, legitimizing itself in different ways through its persistence in time, local and international acknowledgement of its protagonists, and through the undeniable quality of the “historic background” within which the works of the youngest generation of artists takes place.

This affirmation of local conceptual art praxis is connected to the simultaneous breakthrough the contemporary art scene in the late nineties experienced within the realm of articulating social conflicts, perhaps for the first time after the fifties and the break-up with the “official” doctrine of socialist realism. The orientation of contemporary art towards sensitive social themes and their positioning in the media began to shift it closer to the center of a new cultural hegemony. To a certain degree, the contemporary art scene became active within the civic scene, capitalizing on the knowledge and especially on the know-how developed during the nineties within a very dynamic and independent civic scene. By the end of 90ies a smaller number of cultural initiatives emerged, which saw their prospect in creating new forms of non-institutional cultural engagement, based on the independent and non-profit form of civic association. The position of these basically instable initiatives was greatly dependent on the conditions imposed on them by an extremely (end of 90ies) and later substantially (beginning 00s) unfavorable context of institutional culture (i.e. state or state-subsidized culture) and greater public (whose opinion was mostly created by state-run broadcasting media or privatized print media). Although the last two-three years have seen a significant change in the vocabulary used by key decision-making actors in the cultural domain, in general the Croatian cultural setting still remains essentially marked by a cultural logic of identity, particularly national identity.

By appropriating the language of mass media, various contents and spaces of activities, artists constantly question their concrete surroundings, and by initiating new relations and interactions they simultaneously attempt to shift the limits imposed by the place they inhabit. There is a number of projects which deal with socially relevant subjects, confront different audiences, and which are based on some form of collective cooperation, in which the organizational tasks and creative expression overlap within the artistic work itself (projects Weekend Art: Hallelujah the Hill and Community Art by Aleksandar Ilić, Ivana Keser and Tomislav Gotovac, urban interventions by Igor Grubić, projects by Andreja Kulunčić). Also, a number of artists who established themselves in the 90ies expressed interest in re-thinking the artists´ position within the labor market and conventions of art institutions and systems on local and global levels (Tomo Savić-Gecan, Tanja Dabo, David Maljković), while many explore collective traumas and private identities (Igor Grubić, Kristina Leko, Slaven Tolj, Marijan Crtalić, Ines Krasić, Sandra Sterle).

In the Croatian visual art scene, it seems that at present the frustrated dream of the never attained ideal working conditions of the Western European cultural worker and exposure to the completely different brutalities of transitional economic order merge to produce a tension, in which all possibilities are still open.


Nataša Ilić